Samstag, 18.8.
Man kann wirklich sagen: „Bei uns wird es nie langweilig“. Die 21. Alpentour der Transalpfreunde begann wie 2003 mitten in einer Hitzewelle. Bei deutlich über 30° fanden sich die 13 Teilnehmer wie letztes Jahr an einem Zeltplatz und einer angrenzenden Pension am Grüntensee bei Kempten ein. Nach Zeltaufbau und Zimmerbezug genossen wir unser gemeinsames Abendessen in einem Biergarten und ließen den Abend bei den Zelten in der fröhlichen Runde ausklingen.
Sonntag, 19.8.
Es war schon knackig warm, als wir nach dem Frühstück Richtung Süden starteten. Wir wollten den schnellsten Weg nehmen und dazu über den Fernpass fahren. Das stellte sich jedoch als Fehlschlag heraus, weil dies ein absolutes Nadelöhr in der Ferienzeit darstellte und wir viele Kilometer im Kriechtempo schleichen muss-ten. Erst ab dem Inntal liefs dann wieder besser.
Kurz nach dem Reschenpass ging es rechts ab in die Schweiz, wo wir auch gleich wieder auf den Umbrail abbogen, den mit 2508 m höchsten Schweizer Pass. Die untere Kehrengruppe stimmte uns gleich mal auf die nächsten Tage ein. Und die einfache Schotterpassage, für die der Umbrail so berühmt ist, gibt es immer noch, scheint aber immer kürzer zu werden… Über die wunderschöne Westseite des Stilfser Jochs ging es ins Tal hinab, wo uns Temperaturen um die 35° erwarteten. So waren wir fast schon dankbar nach Bormio 20 km in einem Tunnel zu fahren. Die Überraschung des Tages stellte der relativ unbekannte Foppa-Pass (1852 m) dar, der mit einer wunderschönen Streckenführung aufwartete. In Edolo auf dem Zeltplatz angekommen stürzten wir uns gleich auf die knappen schattigen Plätze für die Zelte. Abends fuhren wir die 2 km in die Stadt und aßen - wie es sich für die Region gehört - in einer Pizzeria in der Stadtmitte.
Montag, 20.8.
Während dem für unsere Alpentouren gewohnt üppigen Frühstück marschierten die Temperaturen stramm auf die 30°-Marke und darüber zu. Die Tour heute führte zunächst über den Foppa-Pass - nunmehr in die andere Richtung und ohne Gepäck -, was natürlich deutlich mehr Spaß machte. In Bormio gings nun links ab nach Westen, wo wir zunächst den Foscagno (2291 m) überquerten. Dieser beeindruckte mehr durch phantastische Panoramen als durch Kurvenorgien. Zu Mittag trafen wir in der zollfreien Zone Livigno ein. Aber auch hier auf 1816 m herrschten fast 30°. In einem schattigen Café in der Einkaufsmeile genossen wir die Pause und den Touri-Rummel.
Der nächste Pass war der Forcola mit 2315 m, der die bisherigen Landschaftseindrücke weiter toppte. Kurz danach fuhren wir ein Stück durch die Schweiz auf der Südseite der Bernina-Straße wieder Richtung Italien. Hier ereilte uns ein interessantes Temperatur-Phänomen: Mit jedem Kilometer wurde es heißer. Hatte es auf dem Pass noch angenehme 25° stiegen die Temperaturen bis ins italienische Tirano auf 41°! Das war schon grenzwertig und zehrte an der Substanz. Aber der Aufenthalt im heißen Adda-Tal war nur von kurzer Dauer. Es ging gleich wieder in die Höhe durch relativ kühle Wälder. Der letzte Pass für heute - der Aprica (1176 m) - bescherte uns wunderschöne 3.-Gang-Kurven. Auf der Passhöhe legten wir die letzte Pause bei nunmehr knapp über 30° ein.
Abends machten wir uns mit Hilfe der Küche im Bungalow ein richtig gutes Essen, das wir im Freien - dank der bis in die Nacht warmen Temperaturen - ausgiebig genießen konnten.
Dienstag, 21.8.
Ein weiterer heißer Tag erwartete uns. Nachdem wir dieses Jahr keinen richtigen Swimming-Pool auf dem Zeltplatz hatten, beschlossen wir außerplanmäßig ein Bad in einem See auf der heutigen Route einzunehmen. Ein geeignetes Gewässer fanden wir auch - den wunderschönen Lago di Mezzola, 2 km nördlich des Comer Sees. Das Bad hatten wir uns bis dahin aber dann mehr als verdient: Wir mussten nämlich das gesamte Adda-Tal ab Tresenda (60 km) bei 40° - 1 Stunde ohne Schatten - durchfahren. Die Veranstaltung bekam ein neues Motto: „Touren bei 40°“. Nach dem wirklich erfrischenden Bad vor schöner Bergkulisse blieben wir nicht mehr lange auf dieser Meereshöhe von gerade mal 200 Metern. Bald ging es über 1600 m Höhenunterschied den Maloja (1815 m) hinauf in die Schweiz. Hier erwartete uns die erste richtige Kurvenorgie dieser Tour. Und die Temperaturen fielen fast um 20° bis zur Passhöhe!
Zur Mittagszeit war der kulturelle Teil der Alpentour geplant - ein Besuch von St. Moritz. Wie gesagt „geplant“, denn wir fanden in der wirklich imposanten Innenstadt keinen Motorradparkplatz - zumindest nicht kostenlos und oberirdisch. So begnügten wir uns mit der Einkehr in eine Gartenkneipe mit einem schönen Blick auf St. Moritz. Immerhin kostete auch hier der Cappuccino 4,- €… Danach befuhren wir den Bernina - mit 2328 m der zweithöchste Pass auf unserer Tour. Die Nordauffahrt ist kurventechnisch absolut uninteressant. Beeindruckend war lediglich die Landschaft, vor allem auf der Passhöhe mit imponierenden Panoramen nach allen Richtungen - insbesondere der Blick auf den Cambrenagletscher. Nach wenigen Kilometern trafen wir auf die gestrige Route vom Forcola heim und erlebten zum zweiten Mal diesen krassen Temperaturanstieg auf über 40° bis ins Tal in Tirano. Es ging dann abermals über den Aprica zurück. Abends gab es wieder selbst zubereitetes leckeres Abendessen in lauwarmer Sommernachts-Atmosphäre.
Mittwoch, 22.8.
Genug mit den Ausflügen in den Norden. Heute war der Süden dran - und es sollte richtig abenteuerlich werden. Die Anfahrt nach Breno gestaltete sich schon mal deutlich schattiger. Und bereits nach einer halben Stunde ging es den Croce Domini (1892 m) hoch. Das enge Sträßchen bescherte uns einen ausgewogenen Mix an Kurven und Landschaftseindrücken. Auf der Passhöhe pausierten wir zunächst an einem Rifugio. Die Erholung war angebracht, denn von hier zweigte die steile Rampe zum 2129 m hohen Giogo di Bala ab - eine Schotterpiste. Doch es wurde nicht so schlimm, wie es beim ersten Blick aussah. Richtiges Crossen im Stehen war kaum erforderlich und die Piste relativ breit. Dagegen waren die Landschaftseindrücke wohl das Beste, was diese Tour bisher bereitgehalten hatte - auch oder gerade nachdem wir wieder Asphalt unter den Rädern hatten. Die Straße führte z.T. über einen schmalen Kamm, wo es zu beiden Seiten atemberaubende Panoramen gab. Kaum zu glauben, dass es dazu noch eine Steigerung geben sollte…
Diese fand sich sogleich in Form des Maniva ein, der mit 1664 m eigentlich eher zu den niedrigeren Pässen zählt. Schon von weitem konnte man sehen, dass die Trasse kühn in den Berg reingemeißelt war. Die einspurige Piste bestand zunächst aus holprigem Asphalt, war kaum gesichert und bescherte uns den Blick in tiefe Abgründe, soweit man hinsah. Und dann kam der Schotter….
Es wurde eine Stufe schwieriger als beim Bala, aber immer noch ganz gut zu genießen. Eine fast schon unwirkliche Aussicht wurde uns beschert, als die Trasse auf einen zerklüfteten Berg hinführte, dort sichtbar reingemeißelt war und irgendwo verschwand. In Filmen wie „Herr der Ringe“ gab es vergleichbare Eindrücke. Die Straße verschwand allerdings dann weniger mysteriös in einem Tunnel. Kurz davor hatte wieder der Asphalt angefangen. Der anschließende Abstieg zum Idro-See bestach durch eine bis dahin beispiellose Kurvenorgie. Die Anzahl und Enge der Kehren dürfte dem Stilfser Joch alle Ehre machen. Bei der Abfahrt stieg das Thermometer wieder von angenehmen 30° auf über 40°. Aber am Ufer des Sees angekommen stürzten wir uns planmäßig in die Fluten und kühlten uns richtig ab.
Die Rückfahrt erfolgte über die Ostrampe des Croce Domini. Vor allem die Etappe bis Bagolino war ein richtiger Leckerbissen für die Kurvenfreaks - wenig enge Kehren, dafür viele Serpentinen für neue Schräglagenrekorde. Nach Bagolino wurde es wieder enger, aber nicht weniger interessant. Und auf der Abfahrt nach Breno ereilte uns ein erster leichter Regenschauer. Davon war allerdings im Tal kaum mehr was zu spüren. Abends fuhren wir zum Essen nach Edolo. Die Temperaturen waren durch den Regen nun etwas erträglicher.
Donnerstag, 23.8.
Der letzte Tag unserer Alpentour war angebrochen. Wir fuhren zunächst wieder nach Westen durchs Adda-Tal. Diesmal aber nur eine halbe Stunde bei nunmehr knapp über 30°. Danach gings ab in Südrichtung zu Pässen die noch kein (deutscher) Transalp-Fahrer je gesehen hat… Der erste war der San Marco (1985 m). Besonders beeindruckte uns die Nordrampe, die sich in einem engen Tal auf halber Höhe entlangwand. Die Straße war gut ausgebaut mit schönen Kurven und Panoramen. Bei der Abfahrt nach Süden blies uns der warme Wind aus dem Death-Valley Europas, der Po-Ebene, entgegen. Bevor es richtig unangenehm wurde, bogen wir nach Osten ab in die Bergamasker Alpen. Dort stand der Passo di Zambla mit gerade mal 1264 m. Was sich wenig interessant anhört, entpuppte sich wieder mal als richtiger Kurvenspaß: Keine engen Kehren und dafür jede Menge Serpentinen für 40-60 km/h. War der Zambla noch überraschend gut, erfüllte der Presolana (1297 m) schon eher wieder das Klischee eines wenig interessanten „1200-er-Passes“.
Hier erlebten wir was Ähnliches wie von der Schweizer Seite des Maloja: Langweiliger Aufstieg und dann atemberaubende Aussicht in die Tiefe. Kurzum - der Abstieg glich die Auffahrt voll aus. Es war schon nach 16 Uhr und wir nur noch 40 km von Edolo entfernt. Die meisten hatten sich schon darauf eingestellt die Tour gemütlich ausklingen zu lassen. Nur der eine oder andere Navi-Fahrer wunderte sich, warum sein System noch deutlich über eine Stunde Fahrzeit kalkulierte. Der letzte Pass für diesen Tag, der Vivione mit 1828 m, sah auf der Landkarte nicht allzu spektakulär aus.
Da sollten wir uns allerdings gründlich getäuscht haben. Der Vivione entpuppte sich landschaftlich und kurventechnisch als Höhepunkt des Tages. Enge Fahrbahn und noch engere Kehren - schmäler als der Manghen. Ruckzuck waren die Adrenalinspiegel oben. Es war anstrengend, aber schön. Streckenweise führte die Straße an ausgesetzten Stellen mit Wahnsinns-Aussichten entlang. Die Bewältigung dieser 40 km hat dann wirklich über eine Stunde erfordert.
Den letzten Abend waren wir zu faul zum Kochen und fuhren wieder in die Stadt zum Essen. Übrigens war auf der ganzen Tour heute in den Bergamasker Alpen kein einziger deutscher Motorradfahrer zu sehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir wirklich die ersten deutschen Transalp-Fahrer hier waren, ist irgendwo doch gegeben…
Freitag, 24.8.
Und wieder ging eine Alpentour zu Ende. Ein letztes Mal gabs das gemeinsame Frühstück, bevor die Teilnehmer sich allein und in kleineren Gruppen auf den Heimweg machten.
Organisation: Georg Spindler
Fotos: Ingo Tiegs, Michael Franken, Peter Göbelt, Mike Tschumper
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