So genau weiß eigentlich keiner mehr, wie die Idee sich auf dem Elefantentreffen 2005 herauskristallisierte. War es die Kälte nach dem Motto „..nächstes Mal fahren wir aber in wärmere Gefilde..“, oder war es die damals frische Erkenntnis, dass es noch mehr Transalpfahrer mit Abenteurerblut gibt..? Egal - ab da wurde über dieses Vorhaben gesprochen, wenngleich auch hier wieder mal keiner so recht daran glaubte, dass es jemals zustande kommt. Aber siehe da - 15 Monate später wurde das größte Unterfangen, das die Transalpfreunde jemals geplant haben, Wirklichkeit. Und nahezu dieselbe Besetzung wie auf dem Elefantentreffen machte sich auf den Weg, dieses Mal in die Hitze Afrikas…
Tag 0 - Samstag, 6.5.
Die sechs Teilnehmer sammelten sich im Hilton Hotel in Basel. Das ließ sich allerdings nur deshalb finanziell verkraften, weil einer davon der Nacht-Manager des Hotels war und für uns unglaublich gute Konditionen realisieren konnte. Der Start ins Abenteuer erfolgte also mit viel Stil…
Tag 1 - Sonntag, 7.5.
Nach einem wahrhaft reichhaltigen Frühstück gings bei sonnigem Wetter über Landstraßen durch den wunderschönen Schweizer und Französischen Jura. Leider begann es ab der Mittagszeit zu regnen. Aus diesem Grund, und auch weil wir nicht so recht vorankamen, fuhren wir ab Lons-le-Saunier auf die Autobahn bis Montbéliard, wo wir in einem „Formel-1-Hotel“ äußerst kostengünstig übernachteten.
Tag 2 - Montag, 8.5.
Zum Start regnete es in Strömen. Auf den Landstraßen durchs Zentralmassiv hörte es zwar zwischenzeitlich auf. Ab Montpéllier erwischte es uns aber noch mal richtig. Kurz danach kamen wir im Fährhafen von Sète an, wo wir erfuhren, dass die Fähre vier Stunden verspätet ankommen soll. Wir schlugen so lange im Städtchen und am Hafen die Zeit tot. Zum in die Straßencafés sitzen war es sogar fast zu kalt. Irgendwann nach 22 Uhr konnten wir dann einchecken und starten.
Tag 3 - Dienstag, 9.5.
Die See war ruhig und das Wetter angenehm, wenngleich man sich nur an wenigen windstillen Plätzchen auf dem Achterdeck sonnen konnte. Ein Problem stellte mit der Zeit das Nichtstun dar. Man bedenke: Sechs gestandene Mannsbilder auf dem Weg ins größte Abenteuer ihres Lebens, den Testosteronspiegel am oberen Anschlag… Und dann dieses Rumgehänge auf dem Schiff.
Tag 4 - Mittwoch, 10.5.
Aufgrund diverser technischer Probleme sollte sich unsere Ankunft noch mal um 14 (!) Stunden hinauszögern. Aber irgendwie kamen wir dann doch in Tanger, Marokkos „europäischster“ Stadt an. Nach dem Zeltaufbau schauten wir uns kurz den Basar an, wo wir auch erstmals die Marokkanische Küche kennenlernen konnten. Der allgemeine Rummel bis tief in die Nacht hinein hatte schon was Faszinierendes.
Tag 5 - Donnerstag, 11.5.
Endlich ging die Marokko-Tour richtig los. Für afrikanische Verhältnisse waren die (Haupt-)Straßen recht gut. Die Fahrweisen der Einheimischen waren verglichen z.B. mit den italienischen regelrecht human. Die Landschaft mutete südeuropäisch an und von der Wüste noch keine Spur. Kurz nach Tetouan nahmen wir eine Abkürzung durchs Rif-Gebirge. Hier bekamen wir schon einen Vorgeschmack auf die faszinierenden Landschaften. Das einspurige Asphaltsträßchen zog sich über diverse Gebirgskämme, bevor es in eine einfache Schotterpiste überging. In Fes angekommen gingen wir nach dem Zeltaufbau noch richtig gut essen. Der Tag war perfekt!
Tag 6 - Freitag, 12.5.
Der Weg in das Atlas-Gebirge war geprägt von Hochebenen mit endlosen Geraden - fast wie in den USA. Die Nordseite war noch relativ grün. Nach dem ersten Pass wurde es aber wüstenartiger. Das Tagesziel war heute schon am frühen Nachmittag erreicht. Die Zelte standen rechtzeitig, bevor uns der einzige Regen unseres Afrika-Aufenthaltes ereilte. Das Abendessen nahmen wir wieder in einer dieser typischen Straßengaststätten neben den Maschinen ein.
Tag 7 - Samstag, 13.5.
Heute ließen wir die Zelte stehen und starteten ohne Gepäck auf die erste Schottertour in den Atlas. Kaum hatten wir die Piste gefunden, stellte sich ein mächtiges Spaßgefühl ein. Die TKC80-Rei-fen bewährten sich sehr gut. Irgendwann ging es zum Cirque du Jaffar ab, einem Pass von knapp 2000 Metern, der mit traumhaften Landschaftseindrücken aufwartete - aber auch mit einer in weiten Teilen verschütteten Piste. Es ging ca. 2 km an der Wand entlang. Die Trasse war zum Abgrund hin geneigt. Überall lagen Geröll und Felsen, die umfahren oder durchwühlt werden mussten. Kurzum: Uns wurde eine dieser berüchtigten Trial-Passagen beschert, wie sie auch unter erfahrenen Enduristen gefürchtet sind. Gott sei Dank blieb es nur bei den Materialschäden. Der weitere Verlauf der 70 km langen Piste, für die wir knapp 5 Stunden brauchten, war wieder sehr schön zu fahren mit einigen spektakulären Flussdurchfahrten.
Tag 8 - Sonntag, 14.5.
Es ging nun über die letzten Reste des Atlas in die Wüste. Die Landschaftseindrücke waren jedoch nicht minder faszinierend. Die Temperaturen überschritten um die Mittagszeit die 35°-Marke. Gegen Spätnachmittag erreichten wir Merzouga am berühmten Erg Chebbi, der größten Dünenwüste Marokkos. Das Dorf ist regelrecht eingekeilt von mehreren über 100 m hohen Dünen. Hier gönnten wir uns auch erstmals eine Übernachtung in einer Herberge, die sogar einen gefüllten Swimming-Pool hatte. Abends versuchten wir uns noch etwas im Sandfahren, was zwar Spaß machte, uns Sandanfängern aber nur bedingt gelang. Aufgrund der Hitze übernachteten wir auf dem Dach der Herberge unter freiem Himmel.
Tag 9 - Montag, 15.5.
Durch Wüstenlandschaften ging es über eine Ebene am Südrand des Atlas nach Tinerhir. Der Zeltplatz dort gefiel nicht nur aufgrund des gefüllten Swimming-Pools, sondern auch aufgrund unserer Unterbringung in einem Obstgarten. Schattiger konnte man es bei diesen hohen Temperaturen kaum erwischen.
Abends fuhren wir in die Stadt und schauten uns ausgiebig auf dem Basar um. Hier ging es schon wesentlich „orientalischer“ zu als im europäisch angehauchten Tanger.
Tag 10 - Dienstag, 16.5.
Der zweite „Schottertag“ war angesagt. Wir brachen wieder ohne Gepäck auf und wurden gleich mal von der berühmten Todra-Schlucht „erschlagen“. Die Straße führt durch einen schmalen Spalt mit über 100 m hohen Felswänden. Danach ging es auf 40 km Piste über einen 2600 m hohen Pass. Die Landschaft hier war wüstenartiger und nicht so vielfältig. Dafür strengte die Passage auch richtig an. Auf über 10 km waren wir mit losem, grobem Schotter konfrontiert. Belohnt wurden wir nach dem Ende der Schotterpassage mit den unglaublichen Landschaftseindrücken der Dades-Schlucht. Neben dem Stilfser Joch Afrikas fuhren wir an Canyons entlang, die auch in den USA hätten sein können.
Tag 11 - Mittwoch, 17.5.
Es ging weiter nach Westen Richtung Agadir. Die Landschaft wurde vielfältiger. Nach Ouarzazate fuhren wir auf eine Hochebene, wo die Temperaturen endlich mal unter 30° fielen. Hier war es wieder feuchter. Es gab Landwirtschaft und natürlich weiterhin diese endlose Weiten mit Eindrücken wie aus einem Film aus 1001 Nacht. Am Abend entschieden wir uns auf dem Zeltplatz wieder unter freiem Himmel zu schlafen - direkt am (vollen) Swimming-Pool. Wir waren die einzigen Zeltgäste und durften sogar die Motorräder direkt an den Pool stellen.
Tag 12 - Donnerstag, 18.5.
Heute machten wir unseren letzten Südschlenker - durch den Anti-Atlas. Es war auf der Strecke sehr gebirgig und erstmals so richtig einsam, wie wir es nicht mal in der Wüste erlebt haben. Die Hitze machte uns mit Temperaturen nahe 40° vor allem in den Tälern zu schaffen. Am späten Nachmittag - nur noch 10 km vor dem Atlantik bei Tiznit - geschah etwas Seltsames: Am Meer hatte sich eine Kaltfront verhangen, was zu einem Temperatursturz von nahezu 20° führte! Wetter und Landschaft wirkten dabei fast schon nordeuropäisch.
Tag 13 - Freitag, 19.5.
Vor dem Start zur letzten Etappe nach Agadir begaben wir uns 10 km nördlich an eine Stelle am Meer mit spektakulären Felsbögen. Das Schöne hier: Der Strand war so flach, dass bei Ebbe ein ca. 30 m breiter Streifen so fest war, dass man mühelos mit dem Motorrad drauf fahren konnte. Es machte tierisch Spaß. Um die Mittagszeit kamen wir dann in Agadir an und konnten mal so richtig Badeurlaub machen. Es tat saugut im Atlantik zu plantschen und abends auf einer Seepromenade zu essen und zu spazieren, die jeder südeuropäischen locker zur Ehre gereicht hätte.
Tag 14 - Samstag, 20.5.
Lag Agadir noch im Einfluss dieser seltsamen „Kaltfront“ mit 25°, sollte sich dies im Landesinneren schnell ändern. Kurz vor dem Südrand des Atlas staute sich die Luft auf 42° auf. Nur gut, dass wir hier schnell durchfuhren um den Tizi-n-Test mit seinen 2094 m zu befahren. Die Passstraße stellt eine der größten Leistungen der marokkanischen Straßenbaukunst dar. Entsprechend bombastisch waren hier wieder die Landschaftseindrücke. Abends kamen wir auf dem Zeltplatz bei Marrakesch an.
Tag 15 - Sonntag, 21.5.
Heute war unser letzter Schottertag. Südlich von Marrakesch um den Toubkal, dem höchsten Berg Marokkos, befuhren wir insgesamt 80 km Schotterpisten. Auch hier wieder super Aussichten und dieses Mal eine Piste, die richtig Spaß machte. Am späten Nachmittag nahmen wir den Shuttle-Service des Zeltplatzes in Anspruch um in die weltberühmte Innenstadt von Marrakesch zu kommen. War einfach besser wegen den Klamotten. Was wir dann erlebten, übertraf alles, was wir uns jemals vom Orient vorgestellt hatten: Basar in Extremform, Schausteller mit Schlangen und anderem Getier, ein ganzer Platz voller Freiluftküchen usw.. Kurzum ein ewiger Jahrmarkt, der täglich bis in die frühen Morgenstunden ging.
Tag 16 - Montag, 22.5.
Unser Programm im engeren Sinn war beendet. Jetzt ging es nur noch heimwärts nach Norden. Aber Stress wollten wir keinen aufkommen lassen. Daher machten wir einen Schlenker in die Ausläufer des Rif-Gebirges und dann Richtung Meer - war einfach schöner zu fahren als der direkte Weg nach Casablanca. Abends kamen wir nördlich von Rabat wieder an den Atlantik mit der immer noch vorherrschenden Kaltfront. Es war hier so frisch, dass wir erstmals drinnen essen mussten.
Tag 17 - Dienstag, 23.5.
Nach weiteren Schlenkern stand heute keinem mehr der Sinn. Wir fuhren gleich auf die neue Autobahn, die fast bis vor Tanger ging. Um die Mittagszeit kamen wir dort an, aßen noch mal ordentlich und begaben uns zur Fähre. Groß war der Schreck, als wir erfuhren, dass sie aufgrund technischer Probleme nicht fuhr. Es gab nur zwei Alternativen: Zwei Tage warten oder auf dem Landweg heim. Da die meisten am Montag wieder arbeiten und auch hier wieder einen halben Tag Verspätung einplanen mussten, begaben wir uns auf die beschwerliche Heimreise durch Spanien. Um 22.00 Ortszeit in Tarifa angekommen fuhren wir noch, so lange wir konnten, auf der Autobahn bis kurz nach Malaga. Dort quartierten wir uns in ein Hotel ein.
Tag 18 - Mittwoch, 24.5.
Heute lagen 750 km Autobahn vor uns, die wir auch schafften, so dass wir bis kurz vor Barcelona kamen. Leider mussten wir an der wirklich schönen spanischen Landschaft vorbeirasen. Das Highlight war wohl Benidorm, die Stadt mit den meisten Wolkenkratzern Europas - fast schon unwirklich, wie die Silhouette vor uns auftauchte. Wir übernachteten zum letzten Mal im Freien, auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte - günstiger gings wirklich nicht.
Tag 19 - Donnerstag, 25.5.
Die zweite 750-er Etappe lag vor uns. Wir streiften die Pyrenäen und fuhren weiter durch Südfrankreich und durchs Rhonetal bis kurz nach Lyon auf der Autobahn. Auch diese Etappe schafften wir ohne technische Probleme - übrigens bei lieblichem Sommerwetter mit über 30°. Die letzte Übernachtung verbrachten wir in einem Hotel an der Autobahn. Zum Zeltaufbau hatte keiner mehr Bock.
Tag 20 - Freitag, 26.5.
Nach dem Gewaltritt der vergangenen Tage hatten wir uns nun für die letzte Etappe eine Erholung verdient. Es ging wesentlich gemütlicher auf Landstraßen über Besançon und durchs idyllische Doubs-Tal Richtung Dreiländereck. Um 15 Uhr kamen wir in Weil am Rhein an, wo wir bei angenehmen 25° ein letztes Mal im Straßencafé zusammensaßen, bevor sich die einzelnen Teilnehmer in alle Winde zerstreuten. Damit endete das grösste und abenteuerlichste Unterfangen, das die Transalpfreunde jemals veranstaltet haben. Und es war ein voller Erfolg. Ob das noch zu toppen ist? Wir werden sehen…
Organisation: Ingo Tiegs
Fotos: Ingo Tiegs, Georg Spindler, Thomas Wiemann, Karsten Booß, Mike Tschumper, Armin Filipiak
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